Montag, 14. Februar 2011
St. Goarshausen, Rheinsteig - Nachtrag

I.M. Simon und Arthur Hecht

Nachtrag zu "Rheinsteigwanderer..." vom 25.01.2011:

Im fernen Hamburg kann ich nun den Wahrheitsgehalt via Internet überprüfen: Die zwei Stadtarchivare und also auch ich sind leider noch schlechter informiert gewesen als ich annehmen musste, deshalb hier eine Richtigstellung.

Zur Geschichte der Synagoge:

Nach 1820 wurde im Haus des damals zugezogenen Süßel Binge eine Betstube eingerichtet. Auch die jüdischen Familien in Wellmich richteten damals eine Betstube ein. Seitdem wurde abwechselnd an den beiden Orten der Gottesdienst abgehalten. 1840 wurde der Betsaal im Haus des Simon Hecht in der Bahnhofstraße 33 eingerichtet.

1863 wurde der Plan durchdacht, eine Synagoge in Sankt Goarshausen für die hier und in Bornich, Wellmich und Weyer lebenden Juden einzurichten. Der Plan scheiterte jedoch an den nicht ausreichenden finanziellen Mitteln. Die Betstube in der Bahnhofstraße wurde weiterhin benutzt: am 21. November 1937 wurde letztmals gemeinsam am Schabbat Gottesdienst abgehalten. Danach wurde das Gebäude wohl zwangsweise verkauft. Es wurde zum "Adolf-Hitler-Haus" der NSDAP Kreisleitung umgebaut und am 19. Juni 1938 als solches eingeweiht.

Das Gebäude ist als Wohnhaus erhalten.
Adresse/Standort der Synagoge: Bahnhofstraße 33.

Simon Hecht ist also wohl der Erbauer des Hauses in der Bahnhofstraße gewesen.

Der Verkauf des Hauses ist möglicherweise Arthur Hecht abverlangt worden. Der aber ist keinesfalls nach Amerika ausgewandert. Seinen Namen und Daten zu seinem Verbleib fand ich neben den Daten anderer jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürgern ebenfalls im Internet.
Zur Erinnerung: Man hatte mir die Auskunft erteilt, alle jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger hätten "damals rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt" und seien "nach Amerika ausgewandert".
Im Folgenden nun die Namen derer, die es nachweislich nicht nach Amerika geschafft haben.

Bürger aus St. Goarshausen, die Verfolgung, Deportation und Vernichtung nicht überlebt haben:

Arthur Hecht
* 01. September 1892 in Sankt Goarshausen
Inhaftierung: Buchenwald, Konzentrationslager
Todesdatum/-ort: 24. Dezember 1938, Buchenwald, Konzentrationslager

Leo Hirsch
* 21. April 1889 in Sankt Goarshausen
wohnhaft in Köln
Deportation: ab Köln
30. Oktober 1941, Litzmannstadt (Lodz), Ghetto
1942, Kulmhof (Chelmno), Vernichtungslager
Todesdatum/-ort: 13. September 1942, Kulmhof (Chelmno), Vernichtungslager

Blanka Lion
* 24. Juni 1906 in Sankt Goarshausen
wohnhaft in Mannheim
Deportation: ab Baden - Pfalz - Saarland
22. Oktober 1940, Gurs, Internierungslager
Todesdatum/-ort: 30. September 1942, Auschwitz, Vernichtungslager

Johanna Mayer
* 01. Mai 1874 in Sankt Goarshausen
wohnhaft in Köln
Deportation: ab Trier - Köln
27. Juli 1942, Theresienstadt, Ghetto
19. September 1942, Treblinka, Vernichtungslager

Lina Mayer
* 17. April 1869 in Sankt Goarshausen
wohnhaft in Sankt Goar
Deportation: ab Trier - Köln
27. Juli 1942, Theresienstadt, Ghetto
19. September 1942, Treblinka, Vernichtungslager

Jakob Meyer
* 03. Juli 1863 in Sankt Goarshausen
wohnhaft in Linz a. Rhein
Deportation: ab Trier - Köln
27. Juli 1942, Theresienstadt, Ghetto
Todesdatum/-ort: 20. Dezember 1942, Theresienstadt, Ghetto

Selma Wolff geb. Hecht
* 04. April 1883 in Sankt Goarshausen
wohnhaft in Mainz
Deportation: ab Mainz - Darmstadt
25. März 1942, Piaski, Ghetto

Quellen: http://www.alemannia-judaica.de/st_goarshausen_synagoge.htm

http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html?id=995121&submit=1&page=1&maxview=50&offset=0

(Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945")

Jörg Erb, Werkstatt für Poetisches Handeln:
Kleine Ausstellung "St. Goarshausen"

http://joergerb-shop.fineartprint.de/index.php?PHPSESSID=b6ad51ff1ef1c87f8931a004f8ecc326&page=bildagentur.php&id=sis&sis_cat=24916

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Männer, im Kreis



So standen wir oft am Feuer, im Rauch.

Keiner sprach, was der andere nicht sowieso schon erwartete.
Die Ergebnisse standen so fest wie wir selbst auf unseren wackeligen Beinen.
Heillos & haltlos. Vereinzelt, versammelt.

Wir waren offen für alles; durch und durch war es uns längst in die Glieder gefahren, bis tief in die Knochen. Schweiß auf der Stirn. Und Regen & Pisse im Schuh.
Wir quatschten betreten im Kreis und hielten uns unsere Bäuche.

Wir ließen die Flaschen kreisen und traten auf der Stelle die Scherben zu Splittern.
Die Puppe tanzte, bis sie fiel. Und wir über sie her.
Auf & nieder, immer wieder.
Druff & dewitt.

Alles kehrt wieder; nichts kommt zurück.

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Sonntag, 13. Februar 2011
Im Vorübergehen



Mit offenen Sinnen, nicht rückwärts gewandt im Augenblick.

Und dann – selber noch in der Bewegung – anhalten, mit ruhigerem Atmen beikommen der seltsam eigen gewordenen Ausschreitung, die im Vorübergehen erst wirklich hilfreich und zulässig wird.
Nur ohne dagegen einzuschreiten, gehst du dir selbst nicht mehr fremd.
Das geht vorbei.

Dann kannst du auch rückwärts gehen, die Fäden verknüpfen mit verbundenen Augen.

http://www.nachtausgabe.de/homepage/Absinth_Bar_Hamburg

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Samstag, 12. Februar 2011
Wind



Der Wind stieß das Fenster vor seinem Schreibtisch auf.
Aus diesem Fenster hatte er beim jahrelangen Schreiben zwischen den Zeilen immer wieder hinausgeschaut – sekunden-, minuten- und stundenlang nach momentaner Zerstreuung oder Orientierung gesucht und schließlich Tag für Tag noch immer Wort um Wort gefunden, das sich, meist in schwarzer Tinte auf weißem Papier, Buchstabe für Buchstabe festhalten ließ, um dann, nach gereifter Überlegung erneut sortiert, eine jeweils scheinbar letztgültige Ordnung gefunden zu haben, die sich aber jetzt durch rein zufällige Plötzlichkeit ins pure Chaos verkehrte, das alles Papierene im Raum umherfliegen, und somit jeden einmal entworfenen Gedanken erst auffliegen, taumeln, und dann abstürzen ließ.
Der Sturm hatte so die Worte des Dichters beflügelt, seine Sätze segelten auf und nieder; selbst die unverrückbaren sanken diesmal leichthin zu Boden.
Seine den Zweifeln mühsam abgerungenen Antworten, die er auf losen Blättern niedergeschrieben, gesammelt und wieder und wieder kleinteilig zusammengestellt und vor sich selbst noch einmal ausgebreitet hatte, wie die Landkarte einer Welt, die er nun wirklich bald betreten könnte, hatten sich in einem kurzen Augenblick seiner so schön und wunderbar erstarrten Ordnung entzogen.
Nichts blieb, wie es war. Seine Gedanken waren endlich frei. Erleichtert schloss er das Fenster. Es verlangte ihn jetzt endlich nach anderen Fragen.

"Jeder Blick ist ein Fenster.
Jede Betrachtung ist ein Blick aus einer Welt in eine andere.
Ein Bild ist offen für Veränderung.
Es ist immer bereit für eine neue Betrachtung."

Jörg Erb

www.joergerb-shop.fineartprint.de

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