Montag, 29. August 2011
11.09.2001 - Twelveeleven



Der 11.09.2001 war ein Dienstag. Das hätte ich nicht gewusst, ohne das Datum vorher nachgeschlagen zu haben. Aber ich weiß auch nicht, welcher Wochentag der 09.11.1938 war. Oder der 08.05.1945.

An meinen vermeintlich ersten Gedanken beim Betrachten der Bilder auf der Mattscheibe kann ich mich aber noch erinnern: "Wem nützt das?"

Wir wollten wandern gehen – ich weiß nicht mehr, ob im Spessart oder im Odenwald? Aber ich erinnere mich daran, dass wir unseren Kurztrip um einen Tag verschoben haben und erst am nächsten Tag zum Wandern fuhren.
An diesem nächsten Tag, der also wahrscheinlich der 12.09.2001 und ein Mittwoch gewesen sein wird – beschwören wollte ich das nicht –, kaufte ich mir ein Paar sehr teure Wanderschuhe inklusive einem Paar Wandersocken.

In diesen Wandersocken und Wanderschuhen bin ich gelaufen, das weiß ich noch, aber nicht mehr wie lange wir liefen – eine kurze, eine weite Strecke? Ich habe noch ein Bild vor mir, das in meinem Gedächtnis gespeichert ist: Das Aushängeschild (eine Vitrine) eines Gasthofs, den wir, von der Höhe ins Tal hinabsteigend, vor Augen hatten und vor dem wir kurze Zeit später dann standen.
Ich weiß weder wie der Gasthof hieß, noch was wir uns von ihm versprochen hatten, aber wir kehrten dort ein, und ich meine, wir nahmen auf einer Terrasse Platz.

Dieses erinnerte Bild ist nicht klar sondern verschwommen und weich in mir abgespeichert. Könnte man mir ein Foto von dieser Erinnerung vorlegen, würde ich vermutlich behaupten, es wiedererkennen zu können.

Wir waren noch frisch aber schon schwer verliebt – ich glaube, nur diese Bezeichnung trifft unseren zweisamen Zustand damals genau. Ich erinnere aber keinen Kuss, keine Umarmung, kein Gefühl auf der Haut oder gar nacktere Emotionen.

Ich weiß nicht, wie oft wir die immer gleichen Bilder im Fernsehen betrachteten. Ich weiß nicht mehr, wie viel Zeit wir insgesamt vor dem Fernseher verbrachten und wie lange wir schließlich draußen beim Wandern waren.
Das Hotelzimmer war hässlich, das weiß ich noch. Ich erinnere mich aber an keine Fakten.

Ich vermute bis heute, im Gesichtsausdruck des damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika - als man ihn dabei filmte, wie er die Nachricht über den Anschlag zugeflüstert bekam -, keine Überraschung feststellen zu können.

Nie käme ich auf die Idee ausrechnen zu wollen, wie viele Kilometer ich in meinen blauen Wanderschuhen seit dem 12.09.2001 zurückgelegt habe – wie ungenau müsste eine solche Wahrscheinlichkeitsrechnung eines schon in der Schule gescheiterten Rechenkünstlers sein?
Das Exakte hat man mir nicht beibringen können, und den Wahrscheinlichkeitsrechnungen misstraue ich bis heute gern und am liebsten gründlich.

Was ich wahrnehme, beschäftigt mich aber dauerhaft.

Irgendwann im Mai – in welchem Jahr, weiß ich nicht mehr, da müsste ich nachschlagen –, ging ich nach einem heftigen Regenschauer meinen gewohnten Spazierweg. Ich weiß nicht mehr, ob ich schon mit oder noch ohne Hund unterwegs war.
Zum ersten Mal in diesem Jahr glaubte ich, der Sommer sei nun endlich gekommen. Ich roch das nasse aufgestapelte Holz, das jetzt von der Sonne beschienen seinen Duft verströmte. Ich ging plötzlich leichter, ich bewegte mich spürbar anders. Dieser Duft, dieses Licht, diese Farben – ich fühlte mich glücklich verliebt.
Und ich dachte an ein Paar Schuhe, das ich lange Zeit und über schwere Strecken an den Füßen getragen hatte.
Diese Schuhe besitze ich heute nicht mehr. Aber ich habe ihnen eine Zeile in einem Lied gewidmet, das ich häufig singe:

"Die Schwalbe, die den Sommer macht,
hat Wind und Regen mitgebracht,
und Duft von Holz, das Wasser saugt,
und Schuhwerk, das zum Schlendern taugt."

Wenn ich dieses Lied singe, assoziiere ich aber immer meine blauen Wanderschuhe, die ich nahezu täglich auf meinen Hundespaziergängen trage, bis heute.
Ich weiß aber nicht genau, ob mich dann nur das tausendfach ähnlich wahrgenommene und nun erinnerte Bild meiner blauen Schuhe begleitet, oder auch die mit den Schuhen verbundene Empfindung, wie es sich anfühlt, in ihnen gelaufen zu sein.

http://www.myspace.com/joergerb/music/songs/02-farben-foolsgarden-mp3-83879523

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