Montag, 28. November 2011
Gruppenangebot: Wovon lebst du eigentlich?


"Money doesn't talk, it swears..." (Bob Dylan)

http://holyfruitsalad.blogspot.com/2011/11/wohnungslos.html

Nachdem in meiner Wahrnehmung das Überleben der vermeintlich unabhängig Beschäftigten immer mehr gefährdet ist, sich menschliche Katastrophen wie hier oben geschildert (neudeutsch, zumindest aber neuerdings überwiegend: gepostet) nun auch vermehrt offenbaren (nicht nur zur Weihnachtszeit - neinnein, auch wenn es keine Flocken schneit) möchte ich gern zu einer Online-Gruppe einladen, die ich bei ausreichender Rückmeldung (drei sind die kleinste Gruppe, die kein Paar ist) erstellen würde.

Thema: Wovon lebst du eigentlich?

Damit ist nicht nur die Kohle gemeint, herzlich gern ginge es mir auch um das, was uns verfügbar ist, um entstandene Risse möglichst nachhaltig zu kitten, wenn da ansonsten vornehmlich der Wind hinein pfeift & die Seele auf dem letzten Loch. Ergänzendes ist mir herzlich willkommen. Mehr - aber eigentlich auch nicht weniger - haben wir ja alle miteinander kaum anzubieten.

Das ist aber viel, finde ich.

Jenseits von Scham & Schande lebt es sich besser, weiß ich.

Zumindest als Mensch unter Menschen, glaube ich.

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Mittwoch, 9. März 2011
Stammtisch


Nachts hatte sich manchmal ein dumpfer Schmerz in ihnen ausgebreitet, aber davon sprachen sie nicht. Auch an diesen Schmerz hatte man sich schließlich gewöhnt. Oder der Schmerz war, so wie sie selbst, langsam und allmählich stumpfer geworden.

Wenn sie am Stammtisch zusammenkamen, wähnten sie sich in festerer Form, ihren Lungen wuchsen stärkere Flügel. Ihre Sätze kamen ohne Komma aus und fanden den Weg wie gewohnt und so sicher wie die immer kürzeren Schritte den Gang zum Abort.
Nur das Wasser abzuschlagen war mühsamer geworden; manchmal kamen nur Tropfen.

Wenn sie wie von allein von früher erzählten, wurde es manchmal spät.
Gelegentlich hielten sie sich an Gestik & Mimik fest, wenn ihnen etwas zu entgleiten drohte. Mit einem Taschentuch wischten sie sich bei Bedarf den Schweiß von der Stirn und den flockenden Speichel aus den Mundwinkeln.
Das Bier schmeckte noch und stieß ihnen wie früher sauer auf.
Nur den Schnaps vertrugen sie immer schlechter.

So saßen sie lange beim Tisch; ich kann mich noch dran erinnern.

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Mittwoch, 23. Februar 2011
Guttenberg live - short cut


Die anderen Titel lassen sich auch nicht einfach abstreifen.
Die Biografie schmückt mich als "Aristokrat, Politstar und Minister".
"Der politische Senkrechtstarter" meint Weltbild & erklärt mit werbender Stimme:

"Seine Beliebtheitswerte sind atemberaubend, vielen gilt er als der letzte politische Hoffnungsträger: Karl-Theodor zu Guttenberg. Biographin Anna von Bayern, eine Freundin der Familie, stellt Leben und Aufstieg des Freiherrn aus Franken vor - mit unbekannten Fakten und überraschenden Details."

Allein auf dem Klo, beim Händewaschen oder morgens, direkt nach dem Aufwachen, beschlich mich seit einiger Zeit schon manchmal so eine Ahnung - die größten Überraschungen stünden meinen Anhängern noch bevor. Aber sie lassen nicht ab von mir, kleben an meinen Lippen, auch wenn sie noch so gequält unter den Kameras drunterweg lächeln.
Die kleinen Details sind schmutzig, und jede Rede schwang mich empor und entfernte mich von den Petitessen, die nun immer größer werden, je tiefer ich segle. Das Atemberaubende nimmt mir jetzt auch den Wind, ohne den ich kein Stück mehr weiterkomme.
Meine Nerven liegen blank, das ständige Habacht und das Verharren im Stillgestanden zehren an mir.
Ich muss Schluss machen, die offizielle Fragestunde beginnt. Ich weiß auch nicht, ob sich weiteres Reden lohnt.

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Samstag, 12. Februar 2011
Wind



Der Wind stieß das Fenster vor seinem Schreibtisch auf.
Aus diesem Fenster hatte er beim jahrelangen Schreiben zwischen den Zeilen immer wieder hinausgeschaut – sekunden-, minuten- und stundenlang nach momentaner Zerstreuung oder Orientierung gesucht und schließlich Tag für Tag noch immer Wort um Wort gefunden, das sich, meist in schwarzer Tinte auf weißem Papier, Buchstabe für Buchstabe festhalten ließ, um dann, nach gereifter Überlegung erneut sortiert, eine jeweils scheinbar letztgültige Ordnung gefunden zu haben, die sich aber jetzt durch rein zufällige Plötzlichkeit ins pure Chaos verkehrte, das alles Papierene im Raum umherfliegen, und somit jeden einmal entworfenen Gedanken erst auffliegen, taumeln, und dann abstürzen ließ.
Der Sturm hatte so die Worte des Dichters beflügelt, seine Sätze segelten auf und nieder; selbst die unverrückbaren sanken diesmal leichthin zu Boden.
Seine den Zweifeln mühsam abgerungenen Antworten, die er auf losen Blättern niedergeschrieben, gesammelt und wieder und wieder kleinteilig zusammengestellt und vor sich selbst noch einmal ausgebreitet hatte, wie die Landkarte einer Welt, die er nun wirklich bald betreten könnte, hatten sich in einem kurzen Augenblick seiner so schön und wunderbar erstarrten Ordnung entzogen.
Nichts blieb, wie es war. Seine Gedanken waren endlich frei. Erleichtert schloss er das Fenster. Es verlangte ihn jetzt endlich nach anderen Fragen.

"Jeder Blick ist ein Fenster.
Jede Betrachtung ist ein Blick aus einer Welt in eine andere.
Ein Bild ist offen für Veränderung.
Es ist immer bereit für eine neue Betrachtung."

Jörg Erb

www.joergerb-shop.fineartprint.de

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Mittwoch, 19. Januar 2011
Dem "Trommler"



Wenn man mit ihm zusammen isst, ist man nie allein.

Immer sitzen dann dort auch „einsam gute Geschichten“ mit am Tisch, die er gerade laut & leise oder beinah noch nicht erzählt, weil er sie gehört, gelesen, zumindest so erlebt oder just oder gar nicht erfunden hat, und die er bald schon verlegen wird – übermorgen, in anderthalb Jahren oder auf einen Stapel vorsortierter Manuskripte, der so hoch ist, dass er fast schon umzufallen droht, der ihm aber später ums Verrecken nicht verraten will, dass die von ihm mittlerweile verzweifelt gesuchte Geschichte sich genau in diesem Turm, der zur stummen und saudummen Gestalt mutiert ist, befindet.
Und natürlich sitzen immer auch Gedichte mit am Tisch, mindestens zwei, drei zur Linken, zur Rechten oder zur Faust geballt, auch wenn sie noch gar nicht entstanden sind, weil sie sich noch im Flüster- oder im Blindflug befinden. Gedichte finden ihn schlussendlich immer; er ist ja auch einer der wenigen, die laufend – selbst auf der Flucht vor saudummen Gestalten – nach Gedichten suchen und Ausschau halten nach dem, was noch gar nicht sein kann oder darf, weil er die Zeit, die es braucht, sich bisher nicht selbst gestohlen hat.
Lieber als einen Ausweg findet er, der Verleger, Drucker, Her- und Hinsteller, der Weg- und Papierbereiter (Reiter werden eben auch heute gebraucht!) ein Gedicht, auch deshalb, weil er selbst ein Dichter ist, und das vor allem andern, außer der ganz offensichtlichen Tatsache, dass er ein Mensch geblieben ist, den es kaum je nach Veränderung drängt.
Ihn gäbe es gar nicht, hätte er sich nicht beizeiten fortlaufend selbst erfunden.

Alles andere als die Wahrheit über den mir liebsten Schweizer und buchverrückten Verleger der Welt, wollte ich hier einmal "trommelnd" sagen – so wahr ich hier sitze und lauter Lügen strafe; ganz leise, hier, allein und an einem anderen Tisch.

tbc, gelegentlich & nach Lust & Laune

Link: www.waldgut.ch

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