Sonntag, 4. Dezember 2011
Zuhause


Deine Kindheit ist die einzige wahre Geschichte, in der nur du dich fortlaufend verirren kannst.

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Freitag, 28. Oktober 2011
"Ich bin kein Buch, dessen Inhalt man anzweifelt."


Noah Klieger, Auschwitz-Überlebender und dienstältester Journalist Israels, kommt nach Hamburg. Und nach Berlin.

Gemeinsam mit ihm werde ich zwei besondere Erinnerungsabende gestalten.

Er und ich, zwei ganz unterschiedliche Erzähler, denen die eigene und auch die gemeinsame Geschichte am Herzen liegen, und die sich lebendig der mündlichen Überlieferung verschrieben haben, werden am 09.11.2011 im Logensaal der Hamburger Kammerspiele und am 11.11.2011 im DGB-Gewerkschaftshaus, Kleiststr. 19-21, an den 9. November 1938 und seine Folgen und Auswirkungen erinnern.

"War das gestern oder heute?"

http://www.logensaal-kammerspiele.de/programm/09-11

http://www.berlin-brandenburg.dgb.de/article/articleview/8336/1/9/

"Mein Herr" - der Song, den ich zur Eröffnung spielen werde: http://soundcloud.com/j-rgerb/mein-herr-foolsgarden


Noah Klieger kommt wieder einmal nach Deutschland, um an den verschiedensten Orten auf dieser Welt über das zu berichten, was er erlebt hat. Er tut das seit über 60 Jahren.
Im Schnitt hat er bis heute wöchentlich zwei- bis dreimal überall dort gesprochen, wo Menschen waren, die bereit waren zuzuhören - er hat vor sieben Menschen und auch vor siebentausend gesprochen.
Er tut das grundsätzlich ohne ein Honorar dafür zu verlangen, weil er es als seine zentrale Aufgabe sieht, über das zu berichten, was unfassbar bleibt, egal wie lange man nach Erklärungen sucht. Erklären will er nichts. Noah Klieger ist ein Zeitzeuge, er berichtet.

Noah hat Ausgrenzung und Verfolgung überlebt. Er hat die Zwangsarbeit überlebt. Und er hat auch die geplante Vernichtung überlebt. Er hat alle Lager überlebt.
Auch Auschwitz.
Auch Ravensbrück.
Auch Dora-Mittelbau.

Noahs Familie – er, seine Mutter und sein Vater; sein Bruder entging durch Emigration der Deportation – ist die einzige Familie, die zur Vernichtung nach Auschwitz deportiert wurde, Auschwitz aber lebend verlassen konnte.

Sein Überleben ist ein Wunder. Mehrfach ist er der Vernichtung nur durch eine plötzlich unbewusst getroffene Entscheidung entgangen.

Nur ganz wenige der Überlebenden hatten die Kraft zu erzählen. Noah wird so lange er lebt über das berichten, was er erlitten hat. Heute ist er 85 Jahre alt.

Im letzten Jahr ist sein Buch "Zwölf Brötchen zum Frühstück" - Reportagen aus Auschwitz erstmals auf Deutsch erschienen.

http://www.wjs-verlag.de/books/64,zwoelf-broetchen-zum-fruehstueck

Noah berichtet immer in freier Rede, er liest nicht vor.
Wer ihm zuhört kann eine Ahnung bekommen von den deutschen Verhältnissen und Zuständen der Jahre 1933 - 45. Nicht mehr.
Noah selbst weiß aber mehr. Er weiß, wozu Menschen imstande gewesen sind. Er weiß nicht warum, aber er berichtet von ihnen und ihren unmenschlichen Verbrechen.

Immer mehr Daten, Zahlen und Fakten sind im Laufe der letzten Jahrzehnte trotz kollektiver Verschwiegenheit ans Licht gekommen. Täglich werden neue Daten im Netz veröffentlicht. Nie wird alles aufgedeckt sein. Und doch weiß Noah mehr, weil er erlebt hat, was keine Zahlen, Daten und Fakten jemals wiedergeben können.

Das, was wir nicht fassen können, können wir auch nicht erklären.
Aber Noah berichtet darüber; er hat es erlebt.

Noah Klieger ist ein Überlebender.
Er erzählt nicht nur seine eigene Geschichte - unsere deutsche Geschichte bliebe unvollständig, würden wir seine Geschichte nicht wahrnehmen.

Was Noah Klieger uns erzählt ist nicht schön. Es ist aber gut, dass er erzählt. Und es bleibt notwendig.

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Mittwoch, 7. September 2011
Dauerhaft



Ich sehe immer so schwarz, wie es in mir gerade dunkelt.


Der Letzte hatte das Licht ausgemacht und mich dabei wohl übersehen.
Die lichten Momente sind seitdem so selten geworden wie die gestrige Gier nach den Sternstunden unter Kumpanen.
Im grausauren Nebel der Einzelhaft erlöschen die Lichter jetzt dauerhaft.
Und nur die Schatten atmen weiter im verfahrenen Schweben.

Was mich im Stillen erhellte, wurde nicht Welt; es verklärte sich zur schlammigen Realität all der Teilhabenichtse, sobald sie mein eigenes Wort vernahmen.
Sie hatten es mir jüngst verübelt.
So alt waren wir immer zusammengekommen.

Sie nahmen alles an, was nach Wahrheit klang, aber kaum etwas wahr, was der andere anzunehmen bereit gewesen war.

Meine Sprache hatte dort alles verloren.
Ein jedweder Verlust blieb im Besitz einer fremden Eigentümlichkeit.

In mir sucht das Dunkle nach eigener Schwärze.

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Sonntag, 6. März 2011
Ahnung

Ahnen


Stefan Dosch, Fieberbrunn

Die Knappen kamen vom Bergwerk runter, zum letzten Mal. Die Kapelle spielte noch einmal auf. Zwei Jahre nach meiner Hochzeit.

Das war schon 25 Jahre her, als der Bub, der Bankert Siebenundzwanzig geboren wurde.
Ein Jahr später hab ich mich mit dem Bucher Mascht, meinem Schwager um den Musikpavillon verdient gemacht.

Franz, wie sein Vater, hieß der Lauser nur auf dem Papier. Ich hab ihn Hans gerufen. Das musste gelten und blieb Gesetz; getauft wurde er nicht. Ich habe die Heirat verboten. Der Schmied ging davon wie die Jahre ins Land. Und die Tochter ohne den Buben schon bald nach Bayern. Da ist sie dann protestantisch geworden.

Auf die Welt kam der Bub hinterm Auwirt, im Dachstuhl der Villa Habergeis, da wo der Pletzergraben beginnt.
„Dosch-Bäicherl“ haben sie mich genannt; mein unterschätztes Gewicht führte zum Unfalltod und zu einer Meldung in der Zeitung.

Bahnpensionär bin ich gewesen, sagte man da; das klang mehr nach als alles davor.

Der Bub bekam die zerbrochene Pfeife, zwei Gamsbärte und die zerbrochene Uhr.
Und das Buch, in das ich meine Lieder schrieb. Manchmal half mir ein anderer; mit dem Schreiben tat ich mich schwer. Lesen kann sie heut kaum einer. Aber vielleicht singt sie noch wer.

Der Musikpavillon steht da noch immer.
Ich ging dahin.

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