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Mittwoch, 30. März 2011
Lektorentraum
joeheritage, 12:30h
Immer wieder eine schöne Erfahrung, wie der Textkörper sich schließlich wohlfühlt und endlich in Gänze erscheint, wenn die Ecken & Kanten, die Rundungen stimmen, wenn er Arme bekommt, die etwas weiterreichen & Beine, die das Fortschreiten der noch stolpernden Gedanken ermöglichen, und wenn Sound & Rhythmus erklingen, die den Autor bewegten, sich diesen Text abzuringen, aufzuschreiben und abzuhören, indem er der eigenen Stimme lauschte, die manchmal zu laut oder zu leise erschien und die Worte ihn noch umständlich umstanden oder erst schwirrend begleiten wollten, aus dem Traum heraus oder einer noch zu fernen Dichte entgegen – diese Worte sollten letztlich nur eines: Wirklichkeit werden.
Und wenn du dann Zeuge sein darfst, wie die Geschichte zu leben beginnt, weil sie hin und her wandert zwischen Autor & Leser, weil sie die bisher unbetretenen Zwischenräume beider mit Gespräch, ausgelassenem Gelächter & ungeweinten Tränen erfüllt, so dass aus dem Hohlraum ein Zimmer wird, in dem wirkliche Menschen sich bewegen, auch wenn sie sich selbst leiblos verflüchtigt haben – dann ist aus der mühsamen Arbeit ein Buch geworden.
Twitter-Nachträge:
Wenn der Autor dem Lektor näher ist als der Text, hat der Lektor mindestens zwei Probleme - manches Buch kann ein Lied davon singen.
Lektorale Verschwörungstheorie: Text & Autor haben sich gegen mich verschworen & nicht mal der Verleger glaubt mir; das Buch wird eine Sensation!
Sternstunde: Lektor oder Autor - irgendwer hat sich durchgesetzt. Die Leser behaupten am Ende, es sei das Buch.
Beseelt & berauscht vom gemeinsamen Werk, liegen sich Lektor & Autor noch weinend in den Armen - da meldet der Vertrieb die Vormerker: 127.
Horrorvision des Lektors: Der Textkörper steht nachts als Astralleib vor meinem Bett & verlangt Satisfaktion oder sofortige Rückverwandlung.
Alptraum des Lektors: Erfolglose Autoren, die ich betreut habe, stehen an der Spitze einer Remittendenarmee & erklären mir den Krieg.
Lektorenende: Der vernörgeltste Autor versichert mir glaubhaft, ICH sei sein nächstes Buch & müsse ihm jetzt beim Diktat helfen.
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