Freitag, 6. Mai 2011
Bob Dylan in Wien



Unterwegs mit Bob Dylan

Auf Einladung des Österreichischen Rundfunks ORF fahre ich am 13.05. nach Wien, um dort mit Helmut Jasbar, Elisabeth Scharang und weiteren Gästen über Bob Dylan und seine Musik zu sprechen. Die Radiosendung auf Ö1 beginnt um 23 Uhr und dauert bis 1 Uhr am 14.05. – sozusagen eine kleine Vorfeier zum 70. Geburtstag des großen Songmeisters und Wandlungskünstler.

Anlässlich dieser Reise möchte ich drei Ideen verknüpfen:

1. Ich beginne meine Hausundhofkonzertreise durch Wohnzimmer, Garagen, Gärten, Kirchen und Begegnungsstätten, um dort als musizierender Mensch unter Menschen meine Songs & Lieder zu teilen.

2. Ich spiele dem „Song-and-Danceman“ zu Ehren ein kleines Bob-Dylan-Programm, bestehend aus meinen Lieblingssongs des Altmeisters, von mir frei gefertigten Nachdichtungen sowie angelehnten oder sonst wie verwandten Stücken.

3. Ich starte mein „Being-Bob-Dylan-Projekt“, im Zuge dessen möglichst viele die Möglichkeit bekommen, selbst einmal als Bob Dylan der Welt oder zumindest mir mitzuteilen, was His Bobness aus ihrer Sicht bisher versäumt hat, uns kundzutun – Ergänzendes ist mir immer lieb und teuer.
Mehr dazu dann allerdings erst vor Ort – also bei Ihnen, bei dir, bei ihm –, nur so viel sei schon hier verraten: Ich bringe ein paar Utensilien mit, eine Fotokamera, ein Diktiergerät, um auf meine Art festzuhalten, was mir begegnen wird.

Ganz konkret: Ich biete für den 14.05. (Samstag) und den 15.05. (Sonntag) Hausundhofkonzerte an – gern auf Spendenbasis in meinen Hut – und werde mich die übrige Zeit an öffentlichen Orten und Plätzen um die ein oder andere Dylan-Verkörperung bemühen. Ich bin leicht zu erkennen: Hut, Sonnenbrille, Gitarre sowie Mundharmonikaständer werden mich schmücken.

Ich freu mich auf eure Reaktionen – gebt diesen Link bitte zahlreich weiter – und Anfragen. Und wenn mir jemand eine günstige Übernachtungsgelegenheit vom 14. bis zum 16.05. vermitteln oder anbieten mag, bin ich dankbar dafür.

Herzlich, Jörg Erb


„So schwergewichtig die Themen, so unkompliziert und leicht fließen Erbs lyrische Texte und melodische Noten.“ Märkische Allgemeine

„Musik, die ins Mark trifft... ein Muss für alle, die keine Scheu haben, sich mit gehaltvollen Texten auseinanderzusetzen.“ (Rhein-Lahn-Zeitung)

„Erb liest gänsehauterregend aus Kriegstagebüchern seines Vaters und widmet diesem eine eindrucksvolle Ballade.“ Folker! über die CD „Zwölf“

„Meisterhaft, wie in diesen Stücken Gefühl und Geschichte miteinander verschränkt sind: ernst, leise, eindringlich. Kaum je hat man einen inbrünstigeren Gesang gehört.“
Matthias Altenburg (Jan Seghers)

„Hier hat jemand sein ganz eigenes Thema und seine ganz eigene Stimme gefunden und ein Konzeptalbum geschaffen, das in der deutschen Liedermacherszene seinesgleichen sucht.“
Robert Zimmer über die CD „Zwölf“

http://www.myspace.com/joergerb/music/songs/Hut-Mantel-71745683

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 11. April 2011
Selbstentsorgung



Aus der Haut fahren zu dürfen, galt mir plötzlich als Idee zu einem herrlichen Ausflug.

Endlich einmal so außer sich sein, dass man die eigene Haut als Tasche nutzen könnte. Und da hinein packte man all den billigen Plunder, den man sich andrehen ließ, um sich von der mühsam verdienten Kohle von Zeit zu Zeit auch mal etwas leisten zu können, damit man so wenigstens irgendetwas von all dem Schmerzensgeld hätte.

Und dann trüge man diese unglaublich riesige und schwere Tasche, diese prall gefüllte – ach, was, man trüge sie ja nicht, man schleifte sie wie eine Leiche hinter sich her durchs Treppenhaus, vom obersten Stockwerk, Treppenstufe für Treppenstufe hinunter bis vor die Tür, wo der Müll steht. Und diesem Entsorgen vermeintlich mitfühlend beiwohnend, wunderten sich dann grüßend die Nachbarn: Ja, was ist das denn, das sieht ja aus, als trügen Sie sich selbst zu Grabe?

Und dann diese mit Unrat vollgestopfte XXL-Version des eigenen Selbst kurz noch einmal ablegen, tief duchschnaufen, sich breitbeinig aufstellen und mit einem Mega-Zombie-Grinsen auf den fleischroten Backen der nachbarlichen Verwunderung entgegentreten:
Ja, wissen Sie, ich hatte es einfach über, mit dem Arsch, den ich nicht mehr in der Hose hatte, jeden Morgen schweigend beim Frühstückstisch zu sitzen. Und ich war’s einfach leid, mich ständig daran zu erinnern, dass ich mich gleich wieder vergessen müsste.
Jeden Tag begann ich damit, dass mir vor dem Spiegel schon klar wurde, dass ich der eine bin, der den anderen gleich wieder im eiligen Tippelschritt zur Arbeit schicken wird.
Und das war am Montag und am Dienstag so und auch an den darauf folgenden Tagen jeder Woche – jahrein, jahraus. Jeder Tag war ein Volkstrauertag, den man nur mit Späßen noch bekämpfte, die nur die Untergebenen noch vorgaben, lustig zu finden.

Der Mond erschien mir als Scheibe, so lange, bis ich dahinter kam. Da war dann auch die Erde plötzlich keine Kugel mehr, sondern ein riesiggroßer Teller ohne Rand.
Und jeder hier tat es: alle übten sich mehr oder weniger erfolgreich im Verdinglichen aller Sinne. Alle ließen wir uns weichkochen und zahlten gar noch dafür.

Ich dachte mir irgendwann: Verfickt, wäre das nicht geil, wenn einem mit einem Mal gar nix mehr peinlich wäre? Der Arsch fräße endlich das Grundeis & nur am Himmel sähe man noch vorübergehend Spuren der eigenen Schamesröte.

Ach, käme der Strom doch nur aus dem Fluss der Gedanken und des Gefühls – all unsere Energiefresser wären so leicht ausgemacht.

Aber stattdessen herrscht überall süchtiges Sehnen vor - in den müden und leeren verwundeten Seelen und auf den Grimassen der Erfolgsverdingten.
Und so schmiedet man verzweifelt die wildesten Pläne: Man baut sich das Oberstübchen im Barrique aus oder fährt in den Urlaub nach Rokoko.

Man schenkt uns ein & teilt uns aus & immer wieder laden sie uns ein, und wir setzen uns auch noch dazu; und in der Pfanne bruzzelt das immer selbe Feuer. Ich hab das so satt!

Und diese faulen Eier, die sie uns täglich legen: Darf man den Hartgesottenen & Ausgekochten nicht wenigstens die hartgekochten Eier hinterherschmeißen, die sie einem selbst in den Weg gelegt haben?
Mensch Angie, sage ich manchmal im Geiste zu Frau Merkel, was machst du eigentlich beruflich? Und dann will ich immer gleich noch persönlicher werden, bis aus der Angesprochenen endlich die 1.Person, nicht die 3. oder die Funktion oder das Amt antworten will.

Aber nein: Unverdrossen ziehen wir alle unsere Bahnen. Auf allen Vieren im Kreis kriechen wir weiter & wenn einer von uns verletzt liegen bleibt – der, der bislang neben uns kroch –, ja dann wird halt kurzfristig auf Dreien weitergehumpelt, weil die eine Hand ja das Victoryzeichen machen will. Man muss die Feste doch schließlich feiern, wie sie fallen.

Und keiner wagt etwas, dabei wäre es doch so einfach: selbst die kleinsten Kleinigkeiten bewirken doch manchmal schon Großes: Wir könnten zum Beispiel so lange hin & her, kreuz & quer durch alle Beete hetzen, bis der Atem nur noch zum Innehalten reicht & dann laut über uns selber statt über die andern lachen.

Oder so lange im Wechsel so gut & so böse sein, dass selbst das schwärzeste Schaf in der Grauzone endlich weiß, dass es selbst die Welt erst bunt macht.
Oder einmal – Auge um Auge, Zahn um Zahn - endlich christliche Nächstenliebe üben und einfach den nächstbesten Papst verführen, der uns begegnet. Stephen Stills sang doch schon: „Love the pope you’re with.“

Rapunzel, lass dein Haar herunter!
Erinnert sich denn keiner mehr? Leute holt doch endlich wieder euer langes Haar hervor, lasst es euch wachsen, auf dem Kopf oder wenigstens unter den Achseln, aus euren Ohren und Nasen, im Schritt und am besten auf den Zähnen.
Und betankt eure Autos endlich mit dem Gel vom Haupte der nächsten Lichtgestalt, die euch regieren will.

Und dann einmal, statt leise zu sich selbst, laut zu den anderen sagen, wie hilflos man ist & daß die zugegebene Hilflosigkeit derer mehr hülfe als die Hilfe, die sie einem stattdessen immer teurer verkaufen wollen.

Und dann einmal so unausgeschlafen sein & gar nicht drüber reden wollen & aber auch gar nicht mehr so tun als ob.

Und dann einmal so wütend & traurig sein, und wegweinen ein ganzes Meer von unerwünschten Tränen, bis eine plötzliche Freude spürbar wird & der Spaß vorübergehend einfach die Fresse hält.

So trüge man sich vielleicht gar nicht selbst zu Grabe – nein, man zöge sich viel mehr selbst am Schopfe aus all dem Schlamassel!

Dieser abgezockte und billig ausverkaufte Gegenentwurf einer Welt - wir sind doch längst alle bankrott.
Ich trage diese miese, missratene Skizze niemandem mehr nach, ich schmeiße sie endlich weg - soll sie doch jemand anders fressen!

Schickt die Atomlobbyisten nach Japan, lasst sie dort aufräumen & dann sollen sie sich selbst und den Menschen dort zur Rede stellen.

------

Fünf Sinne reichten nicht aus, aber vor allem der Spürsinn litt unter weiterem Stumpfsinn & sinnentleerter Behauptung zweckdienlicher und teuer verkaufter Meinung.

Was ich mir jetzt leisten will, das ist die bedingungslose und schamlose Versinnlichung aller Regeln.

(Textmontage aus Twittersplittern anlässlich des Lesemarathons im Gängeviertel)

... link (1 Kommentar)   ... comment


Mittwoch, 30. März 2011
Lektorentraum



Immer wieder eine schöne Erfahrung, wie der Textkörper sich schließlich wohlfühlt und endlich in Gänze erscheint, wenn die Ecken & Kanten, die Rundungen stimmen, wenn er Arme bekommt, die etwas weiterreichen & Beine, die das Fortschreiten der noch stolpernden Gedanken ermöglichen, und wenn Sound & Rhythmus erklingen, die den Autor bewegten, sich diesen Text abzuringen, aufzuschreiben und abzuhören, indem er der eigenen Stimme lauschte, die manchmal zu laut oder zu leise erschien und die Worte ihn noch umständlich umstanden oder erst schwirrend begleiten wollten, aus dem Traum heraus oder einer noch zu fernen Dichte entgegen – diese Worte sollten letztlich nur eines: Wirklichkeit werden.

Und wenn du dann Zeuge sein darfst, wie die Geschichte zu leben beginnt, weil sie hin und her wandert zwischen Autor & Leser, weil sie die bisher unbetretenen Zwischenräume beider mit Gespräch, ausgelassenem Gelächter & ungeweinten Tränen erfüllt, so dass aus dem Hohlraum ein Zimmer wird, in dem wirkliche Menschen sich bewegen, auch wenn sie sich selbst leiblos verflüchtigt haben – dann ist aus der mühsamen Arbeit ein Buch geworden.


Twitter-Nachträge:

Wenn der Autor dem Lektor näher ist als der Text, hat der Lektor mindestens zwei Probleme - manches Buch kann ein Lied davon singen.

Lektorale Verschwörungstheorie: Text & Autor haben sich gegen mich verschworen & nicht mal der Verleger glaubt mir; das Buch wird eine Sensation!

Sternstunde: Lektor oder Autor - irgendwer hat sich durchgesetzt. Die Leser behaupten am Ende, es sei das Buch.

Beseelt & berauscht vom gemeinsamen Werk, liegen sich Lektor & Autor noch weinend in den Armen - da meldet der Vertrieb die Vormerker: 127.

Horrorvision des Lektors: Der Textkörper steht nachts als Astralleib vor meinem Bett & verlangt Satisfaktion oder sofortige Rückverwandlung.

Alptraum des Lektors: Erfolglose Autoren, die ich betreut habe, stehen an der Spitze einer Remittendenarmee & erklären mir den Krieg.

Lektorenende: Der vernörgeltste Autor versichert mir glaubhaft, ICH sei sein nächstes Buch & müsse ihm jetzt beim Diktat helfen.

... link (0 Kommentare)   ... comment