Samstag, 22. Januar 2011
Vom Wesen der Steine



Sie erzählten einander, wie sie gewesen waren, nicht wo. Die Orte waren nicht einmal mehr Kulisse.

Er beschrieb ihr minutenlang das erinnerte Bild eines Augenblicks – eines Bruchteils nur –, das ihn auch aus dem Abstand der Jahre noch merkwürdig verstörte und das sich, erneut ins Erzählte verwandelt, ein weiteres Mal verflüchtigte.
Es ließ ihn aber auf Dauer nicht los.

Anderntags hielt er einen Stein in der Hand.
Wie er ihn hielt, scheinbar beliebig hin und her wendete, ihn wieder und wieder anders umfasste und betrachtete, wie er ihn wusch und putzte, ihn bürstete, ölte und polierte, bis er anfing zu glänzen, bis das, was bisher verborgen war, endlich zu leuchten begann, war nur für ihn zum Ereignis geworden. Eines, das sich nicht festhalten ließ.

Ein Stein ist ein Ereignis, ein ganz unwesentliches.
Festgehalten über die Tage, die Nächte hinaus.
Der Bruchteil einer Geschichte.
Ein Ereignis von Dauer.

Ich erzähle dir das nur, damit du dich wunderst, wenn du eines Tages einen Stein findest, den ich verlor.

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Freitag, 21. Januar 2011
Richtungen




„Wie geht’s?“
Immer weiter.
„Immer geradeaus?“
Nein. Wie sich im Laufe des Fortschritts erwies – regelmäßig, und manchmal tat’s richtig weh –, folgte der aufrechte Gang nie einem geraden Weg.
„Also immer im Kreis?“
Nein, auch das ist uns offensichtlich nicht möglich. Die, die sich verliefen, berichten davon, tagtäglich übrigens: Die eigene Mitte, einmal gefunden, ließ sich bis jetzt tatsächlich nie gleichförmig umrunden; die Forschung zur Gänze steht aber noch nicht still. Man sei, so sagt man, noch unterwegs – meist allerdings im Geheimen.
„Wie denn nun – am Ende immer der Nase nach?“
Vermutlich trifft es das am besten. Danke der Nachfrage.
Und selbst?
„Ganz gut.“

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Donnerstag, 20. Januar 2011
Nachklang




wer soll hören
was mir niemand erzählt

keiner kann sagen

ich konnte nicht da sein
war hier und auch dort nicht
bin früh nicht und spät nicht
ein keiner für den niemand

weil ich war, wenn ich bin
wird es gut gewesen sein

keiner kann sagen

weil es war
in mir als ein teil
abgeschlagen und aufgehoben
angenommen, behalten wie ein schlimmes geschenk
so wertvoll wie der schmerz
der in einem gefangen
besungen, besprochen, berührt
so traurig dicht dahinter, darüber
die liebe des menschen

die dichte, die schwere
keiner kann sagen
die bleibt mit dem holz,
die nimmt sich das feuer
rauch trocknet das salz nicht der tränen

ihr habt sie, ihr könnt sie
jetzt dürft ihr sie spüren

wer kann sagen
was keiner je spricht

lauteres schweigen
lauter, nicht stumm

I.M. Albert P. (1927-2011)

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