Donnerstag, 24. Februar 2011
Glocken- und Twittersplitter


Sie halten verzweifelt an ihm fest, er lässt sich weiter treiben. Ist der Freiherr frei genug, noch zu wissen, wer und was ihn antreibt? Ich glaube nicht. Und das gibt Anlass zur Sorge.
Und weiß die Koalition, auf was sie sich jetzt eingelassen hat, welche Glocken sie jetzt läutet? Es sind Sturmglocken, die nur noch die Massen hinter sich bringen will, egal um welchen Preis. Der verzweifelte Versuch, wenigstens den Machterhalt zu bewerkstelligen, lässt sie die letzte Karte spielen: dumpfer Populismus. Und leider stellen wir fest: Es scheint ein Trumpf zu sein.
Ich fürchte, in dieser Regierung weiß niemand mehr, wohin die Reise gehen soll, im Gegensatz zur BILD, deren Meinungsmache endlich greift; sie dominiert nicht nur ein Volk von immer weniger mündigen Bürgern, sie steuert in Regierungskreisen deutlich mit.
"We don't need a weatherman to know which way the wind blows..." (Bob Dylan)


Twittersplitter

(Die fielen mir zu, ich schrieb sie selbst auf - Poesie geht meistens eigene Wege)

"Von nun an ging's bergab", sang die Knef. Das Volk will aber auf den Guttenberg hoch; so hinken jetzt alle, nicht nur der Vergleich.

Freiherr zu Guttenberg - ein Bild von einem Mann im Gefängnis.

Was hinten rauskäme? Erstmal riss man das Maul weiter auf, nahm die verkehrte Richtung. Der eigene Schiss lässt sich umgehen, trifft andere.

Erhobenen Hauptes starrten sie von oben herab - das Wasser stand ihnen bis zum Hals - auf die glänzende Oberfläche.

"Thor, Thor, Thor", riefen die Anhänger dem Stürmer zu, der immer weiter stürmte. Nur der Dichter schrieb's auf: Sie feierten ein Eigentor.

Das Bad in der Menge rettet den Ertrinkenden nicht.

Die Weisheit der Gruppe taugt nicht zur Parole.

Niederträchtige werfen, hölzern treiben sie ab. Oder sie gehen versteinert baden. Heillos & Haltlos, selbst geworfen ins Ufer- & Bodenlose.

Die Niedertracht erscheint gern in fremder Gestalt; sie schmückt sich mit fremden Federn. Poesie findet dichteres Wissen als Wissenschaft.

Auch die Niedertracht kann zur Mode werden; sie taugt sogar zur Uniform. "Kleider machen Leute." (Gottfried Keller)

Guttenberg weiter zur Spitze einer führerlosen Herde getrieben: "Endlich doch noch siegen", brüllen heisere, immer fremdere Stimmen.

Man schmiss mir die Scheiben ein; ich war im Glashaus sitzengeblieben, betrachtete stumm die Schönheit des Steins. Davon wollt ich erzählen.

"Glauben dem schenken, der sich selbst behauptet", schrieb der Ghostwriter & zückte innerlich das Schwert; dann löschte er diesen Blödsinn.

Wenn sich der innere Kreis selbst in Ausschreitungen übt, schlagen am Rand schon die Trommeln.

Öffentlichkeit, nicht Offenheit zählt. Selbst die Fenster, durch die sie längst beobachtet werden, bleiben zu. Müssen erst Steine fliegen?

Jetzt ist er nicht mehr isoliert, sie scharen sich um ihn; jetzt sitzt er, der Freiherr - gefangen in Ekelhaft. Ich kann seine Schreie hören.


*Fußnote: Twittersplitter sollen an Thomas Harlan erinnern, den großen & lauten Revolutionär, der ein leiser & lauterer Dichter war. Der sprach von Wandersplittern, die in den Körper eindringen, um irgendwann im Herzen zu landen. Wenige hatten so viel zu erzählen wie er. Wenige trauten sich, der Sprache so zu vertrauen wie er; er beherrschte sie nicht, er folgte ihr.

http://www.edition-filmmuseum.com/product_info.php/info/p58_Thomas-Harlan---Wandersplitter.html

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